Design Your Life!
Leben und Arbeit neu gestalten
Die Regeln der Life Designer
Viele Menschen gestalten ihr Leben nicht, sondern planen es. Sie reagieren statt selbst zu handeln. Designen bedeutet jedoch, wirksame Entscheidungen zu treffen, die nachhaltige Konsequenzen haben für Mensch und Umwelt.
Life-Designer probieren aus, sehen „Fehler” nicht als Scheitern, sondern als wertvolle Erfahrung auf ihrem entwicklungsweg. Statt große Pläne zu schmieden, setzen sie ihre Ideen schnell in die Praxis um, bauen Job-Prototypen und testen aus.
Die im Silicon Valley entstandene Innovationsmethode wurde von Robert Kötter und Marius Kursawe, Autoren des Buches „Design Your Life”, erstmals auf Coaching-Prozesse übertragen. Design Thinking beschreibt einen klar definierten Fünf-Phasen-Prozess für die Lösung komplexer Fragestellungen.
Dabei standen bislang eher komplexe Fragen der Produkt- und Service-Entwicklung im Fokus – die Autoren stellten sich deshalb schon früh die Frage, wie Design Thinking Antwort geben kann auf die Kernfrage „Wie will ich leben?”
Ihr im Buch vorgestellter JobCamp-Workshop ist das Ergebnis dieser Idee. Hier haben sie Erfahrungen von über 50 Menschen zusammengetragen, für die Arbeitszeit Lebenszeit ist und umgekehrt. Sie sprechen nicht von Work-Life-Balance – und haben trotzdem kein Burn-out.
Darunter sind Teilzeit-Unternehmer, Job-Tandems, digitale Nomaden, Portfolio-Jobber, Gründer sowie Menschen, die sich von ihrem alten Beruf verabschiedet haben.
Die meisten von ihnen sind keine Vertreter der Generation Y. „Längst stellen Beschäftigte in den Dreißigern, Vierzigern und Fünfzigern ebenfalls die Sinnfrage und steigen aus dem System aus”, so die Autoren. Als Life Desinger tun sie nun das, was sie lieben. Sie haben ihre Work-Life-Romance gefunden.
Dazu gehört, dass sie…
– wählen, wo und wie sie leben wollen
– sich fragen, was ihr Leben reicher macht
– sich entscheiden, mit wem sie arbeiten möchten
– eine Kehrtwendung machen
– sich Freiräume schaffen
– mehrere Berufe gleichzeitig ausüben
– achtsam sind
– etwas bewegen.
Tim Leberecht fragt in seinem Buch „Business-Romantik”: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir uns mit Leib und Seele in unsere Arbeit einbringen? Was, wenn wir Romantik im und durch das Business finden könnten?” Dann ist das Leben ist von einer Arbeit geprägt, die sinnstiftend ist, Freude macht und Relevanz hat.
Leberecht zitiert in diesem Zusammenhang auch Stowe Boyd, einen Beobachter der digitalen Ökonomie: „In der neuen Arbeitswelt ist die Arbeit kein Ort, wo man hingeht, sie ist eine Sache, die man macht. Du bist die Arbeit.”
Life Designer sind glücklich und ziehen Energie aus dem, was sie tun. „Weil sie ein echtes Leben führen, dass sie täglich nach ihren Bedürfnissen gestalten. Sie wollen nicht mehr nach den Regeln leben, die andere ihnen vorgeben, sie stellen einfach ihre eigenen auf.”
Innovative Lebensformen und Arbeitswelten
Die Initiative “Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft” von Franziska Köppe widmet sich ebenfalls diesen Themen. Sie ist Gründerin von madiko. Das sind Impulsgeber, Vordenker, Querdenker und Nachdenker aus allen Bereichen der Gesellschaft – kleinen und mittelständischen Unternehmen, Verbänden und Initiativen, Wissenschaft und Forschung, Künstler, Kreative, Freischaffende, und strategische Berater.
Unterstützt und gefördert werden Projekte, die Mensch, Wirtschaft, Kultur und Umwelt miteinander in Einklang bringen. Wirtschaft soll dem Gemeinwohl dienen. Franziska Köppe ist auch Moderatorin und Organisatorin der EnjoyWorkCamps. Das sind dynamische, sich selbst organisierende (Un)Konferenzen für innovative Lebensformen und Arbeitswelten mit Zukunft.
Ziel der Veranstaltungen ist es, gemeinsam aus der Praxis für die Praxis Lösungen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu entwickeln. Dabei geht es u.a. um die Fragen: Wie wirtschaften wir sinnvoll? Was trägt zu einer inspirierenden und leistungsfördernden Unternehmenskultur bei? Wie können Nachhaltigkeitsprozesse in Unternehmen gefördert werden? Was heißt es konkret, Zukunft aktiv zu gestalten?
Diesen Themen wird sich hier mal fragend, mal wissend genähert. Es ist eine “Reise des Verstehens und eines steten Verbesserungsprozesses”. Dafür braucht es unternehmerisch denkende Menschen mit „Anfängergeist”, meint Franziska Köppe. Sie alle tragen die Sehnsucht in sich, eigene Werte mit denen von Unternehmen zu verbinden und Sinnvolles zu tun.
„Mit meiner Arbeit will ich einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und behalte das große Bild im Auge”, sagt Marie Glück, Projektleiterin beim Deutschen CSR-Forum. Sie wünscht sich veränderte Anreizsysteme, die andere Lebens- und Arbeitsformen ermöglichen und das belohnen, was wirklich wichtig ist:
Auch die Nachhaltigkeitsexpertin Tina Teucher möchte mit Menschen zusammenarbeiten, „die begeisterungsfähig und lösungsorientiert, flexibel und trotzdem zuverlässig sind.” Sie kritisiert, dass in der Arbeitswelt das Experimentieren („Scheitern”) noch zu wenig erlaubt ist.
Es gibt allerdings immer mehr Unternehmen und Organisationen, die es geschafft haben, Leben und Arbeit zu verbinden und neu zu gestalten, wie der Autor und Berater Dr. Andreas Zeuch bestätigt: „Wir dienen nicht in der Arbeit für die Arbeit (oder für einige wenige finanzielle Nutznießer), sondern die Arbeit sollte uns Menschen dienen.”
Dazu braucht es nach Ansicht des Experten ein neues Menschenbild bei den Verantwortlichen, „mehr Bescheidenheit und Reflexion im Umgang mit (Nicht-)Wissen sowie neue Such- und Einstellungsprozesse für neue Mitarbeiter”. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten zu Mitgestaltern und -entscheidern gemacht und unsere demokratischen Werte in der Arbeitswelt verankert werden.
Denn auch hier ist die gemeinsame Bewältigung von Komplexität eine der größten Herausforderungen. Sie deutlich und verstehbar zu machen ist nicht nur ein wesentliches Anliegen dieser Veranstaltung, sondern auch eine zentrale journalistische Aufgabe, der sich auch das Portal changeX widmet.
„Wir suchen nach neuen Perspektiven und ungewöhnlichen Lösungen und bieten damit (so hoffen wir zumindest) überraschende Einsichten – immer mit Blick auf Entwicklungsperspektiven für Wirtschaft und Gesellschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen”, sagt Winfried Kretschmer, Unternehmer, Journalist und Redakteur der changeX GmbH.
„Raus aus dem Elfenbeinturm, rein in den Alltag”
In einer Zeit, in der vieles aus dem Lot geraten ist und sich viele alte Identitäten auflösen und neue bestenfalls nur verschwommen in Sicht sind, entsteht für viele Menschen ein Vakuum, das auf unterschiedliche Weise gefüllt wird.
Der gesellschaftliche Wertewandel ist eine Reaktion auf diese Entwicklung, deren drängende Probleme und entscheidende Fragen der Gegenwart nicht gelöst und beantwortet werden können ohne eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen (guten) Leben.
Das erklärt auch das gestiegene Interesse an Philosophie. Raus aus dem Elfenbeinturm, rein in den Alltag – das ist die Idee hinter Street Philosophy.
„Die Philosophie kann auch für ganz alltägliche Fragestellungen erhellende Denkanstöße geben, mit denen wir eingefahrenen Denkmustern entfliehen und neue Orientierung finden können”. Sagen Julia Kalmund und Nina Schmid, die Gründerinnen und Organisatorinnen der Street Philosophy- Veranstaltungen in Deutschland.
Sie finden nach dem Vorbild angelsächsischer Philosophie-Clubs regelmäßig in der Josef Bar in München statt. Die Referenten nehmen die Teilnehmer mit zu einem offenen Dialog zu den verschiedenen Themen des Lebens – „und das nicht bleiern schwer, sondern lebensnah, unterhaltsam und bereichernd”.
Bei einer vergangenen Veranstaltung wurden die Teilnehmer beispielsweise gefragt, was sie motiviert, morgens aufzustehen. Das ist auch eine Leitfrage des Buches „Design Your Life”:
Worauf freuen sich Menschen am meisten, wenn sie an den bevorstehenden Tag denken? Wie sieht ihr Arbeitsort aus? Wie verbringen sie die Zeit bis zum Abend? Warum stehen sie überhaupt auf?
Ohne Urvertrauen könne der Mensch morgens sein Bett nicht verlassen, erklärt der Soziologe Niklas Luhmann. Es wird auf etwas vertraut, ohne zu wissen, welche Erfahrungen folgen werden. Das ist oft verlässlicher als der mühsame Versuch, dem Leben die eigenen Bedingungen zu diktieren.
Die Philosophin Hannah Arendt verwies darauf, dass wir gerade deshalb in jedem Moment hoffen dürfen, weil wir handlungsfähig sind – und zu einem neuen Anfang beitragen können.
Veranstaltungshinweise:
EnjoyWorkCamp am 6. und 7. November 2015 in Stuttgart
Warum es genial ist, an morgen zu denken – ein Street Philosophy-Abend am 11. November 2015 in München
Literaturempfehlungen:
Robert Kötter, Marius Kursawe: Design Your Life. Dein ganz persönlicher Workshop für leben und Traumjob! Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2015
Tim Leberecht: Business-Romantiker. Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben. Droemer Verlag München 2015.
Dieser Artikel erschien zunächst in der Huffington Post.