Kann Enterprise Software romantisch sein?
Tim hielt die Opening Keynote auf der abas Global Conference in Karlsruhe.
Als Reaktion auf Algorithmen, die unsere Beziehungen standardisieren und optimieren, beobachtet Tim Leberecht eine neue Sehnsucht nach roher, ungefilterter Emotionalität und „flüssigen Identitäten“. In seiner Keynote auf der abas Global Conference stellte der Business-Romantiker den 1000 Zuhörern vier Prinzipien vor, die “beautiful business” möglich machen.
In einem interview mit abas beschrieb Tim, wie ERP-Software-Hersteller und auch Industriekonzerne und Mittelstaendler menschlicher werden können:
“Das Problem ist, dass wir Digitalisierung auf Effizienzsteigerung reduziert haben. Die Idee war doch eigentlich, dass uns Technologie menschlicher macht. Und jetzt müssen wir mit ansehen, wie uns digitale Technologien entmenschlichen, uns immer mehr den Zwang der datengesteuerten, dauer-quantifizierten Selbstoptimierung auferlegen, mit der Folge eines Digitalen Taylorismus, der die Mechanisierung von Arbeit der industriellen Ära auf die digitale Wirtschaft übertragen hat. Kein Wunder, dass die Menschen überwiegend von der Digitalisierung enttäuscht sind. Schauen Sie sich die letzte Gallup-Studie an: Nur ein Drittel aller Arbeitnehmer weltweit sind voll engagiert bei der Arbeit. In Deutschland haben 70 Prozent bereits innerlich gekündigt, und 86 Prozent klagen über arbeitsplatzbedingten Stress.
Die Idee der Effizienzsteigerung durch Digitalisierung ist ja an sich eine Riesen-Illusion: die Produktivität ist, nach einem kurzen Anstieg in den 90er Jahren, wieder konstant gesunken trotz digitaler Technologien, und zudem sind die Externalitätskosten der tatsächlichen Effizienzsteigerung erheblich. Natürlich wird auf der einen Seite durch optimierte Prozesse Geld gespart, aber auf der anderen Seite betreiben Unternehmen dabei oft Raubbau an ihrem wichtigsten Kapital: den Menschen und deren Wohlbefinden und Motivation.
Meine Idee der Business Romantik ist ein Versuch, diese Spannung aufzulösen. Sie verbindet die rationale Logik und das Effizienzdenken der Wirtschaft auf der einen Seite mit unserer Sehnsucht nach Abwechslung, Unberechenbarkeit und Emotionen auf der anderen. Es ist ein Trend, der immer stark wird: als Gegenentwurf zur digitalen Automatisierung der Welt.
Auch wirtschaftlich macht dies Sinn: Menschengerechte Arbeit macht uns glücklicher, von innen heraus motivierte Mitarbeiter sind produktiver und innovativer. Zudem wollen Menschen Kontakt mit anderen Menschen: wenn alle andere nur maximieren und optimieren, dann stechen jene Unternehmen heraus, die eine einzigartige Kultur haben und echte authentische Beziehungen anbieten. Auch innovativ sein können Maschinen noch nicht, sondern nur Menschen. Und zwar nur Menschen, die die Welt so sehen nicht ist, aber sein könnte. Menschen mit enormer Phantasie und großer Leidenschaft. Mit anderen Worten: Romantiker. Von Thomas Edison bis hin zu Carl Benz zu Steve Jobs. Alles Romantiker.
Deswegen interessieren sich immer mehr Unternehmen für einen neuen Humanismus. Sie wissen, dass das, was sie die in letzten Jahrzehnt erfolgreich gemacht – Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung – in Zukunft nicht mehr reichen wird.
Wie können Unternehmen nun damit beginnen, diese Art von Denken umsetzen? Zunächst, indem sie Räume schaffen für Reflektion, Phantasie, Spiel, insbesondere um Intrapreneurship zu fördern. Nichts ist romantischer als Unternehmertum; etwas Neues anzufangen; sich in Abenteuer zu stürzen. Mitarbeiter, die Ideen haben und den Drive diese umzusetzen, sollten dazu immer die Mittel und nötige Zeit erhalten. Auch wenn diese Projekte nicht immer zu bahnbrechenden Neueinführungen führen, so ist doch der Lerneffekt für sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter erheblich, ganz zu schweigen von der Mitarbeitermotivation.
Darüber hinaus sollten Unternehmen digitale Technologien einsetzen, um positive emotionale Momente zu schaffen, Intimität und Vertrauen. Die Kollaborationsplattform Slack hat das vorgelebt: wie man Enterprise-Software auf natürliche menschliche Kommunikation hin gestaltet und spielerisch, leicht und intuitiv macht.
Digital muss schön sein, für den Kunden und den Mitarbeiter. Es reicht einfach nicht mehr, ein produktives und erfolgreiches Leben zu führen, wir wollen vor allem auch ein schönes Leben führen, ein sinnerfülltes und auch sinnliches Leben – und zwar durch die Arbeit, nicht außerhalb der Arbeit. Enterprise-Software kann dazu einen zentralen Beitrag leisten.”