Management by Madonna: Darum sollten sich Frauen ins rechte Licht setzen
Alexandra Hildebrandt erwähnt den Business-Romantiker in ihrem Aufruf zum ständigen Rollenwechsel.
von Dr. Alexandra Hildebrandt
Masken und Macht
Junge Führungsfrauen haben heute oft Sorge, dass sie sich verbiegen und ihr „wahres Selbst” verlieren, wenn sie Rollen spielen. Sie wollen „authentisch” sein. Aber was heißt das? Dieser Frage geht Cornelia Edding in ihrem aktuellen Buch „Herausforderung Karriere. Strategien für Frauen auf dem Weg nach oben” nach.
Es ist ein Plädoyer dafür, nicht immer gleich zu bleiben, sondern sich zu verändern, ohne ein Klon zu werden. Ansonsten wird frau nicht weit kommen.
Wer sich neuen Herausforderungen stellt, muss auch bereit sein, neue Rollen zu lernen, die zuweilen auch Verhaltensweisen erfordern, die bislang vielleicht noch nicht zum eigenen Repertoire gehörten.
Doch ein gutes Rollenspiel setzt ein reiches Innenleben voraus, eine Substanz, die sich ständig neu füllt. Bei vielen Menschen aus dem Kreativbereich ist sie „genialisch” einfach da – andere können durch ständige Übung Neues hervorbringen, das nicht nur der eigenen Weiterentwicklung dient, sondern auch dem Unternehmen.
Der internationale Marketingexperte Tim Leberecht aus dem Silicon Valley hat dies in seinem Bestseller „The Business Romantic” beispielhaft dargestellt.
„Wir alle tragen auch am Arbeitsplatz Masken. Wir spielen, indem wir Aufgaben erfüllen und Ziele erreichen, die uns meist andere gesetzt haben. Wir inszenieren unsere eigene Geschichte, indem wir unsere Interaktionen choreografieren und verschiedene soziale Rollen spielen. Diese Formen der Performance werden immer unentbehrlicher für unsere ‚Performance-Beurteilung’.”
Es macht Sinn, sich mit Leberechts Business-Romantik auseinanderzusetzen, weil es uns hilft zu erkennen, dass unsere Seele noch unzählige andere Seiten hat, die wir in einer komplexen Welt brauchen, um sie „lesen” und verstehen zu können:
„Verletzlichkeit, Melancholie, Leiden und ein großes Verständnis für Fremde und Fremdheit, für Verrücktes und Vorübergehendes, um nur einige wenige zu nennen.”
Auch wenn im Buch von Cornelia Edding der Begriff der romantischen Führungspersönlichkeit im Sinne von Tim Leberecht keine Rolle spielt, so sei er hier ergänzt. Denn Business-Romantiker wechseln ständig zwischen den Rollen des Wieso, Was und Wie hin und her. Dabei werden die Trennlinien zwischen Strategie und Taktik aufgehoben.
Business-Romantik geht mit dem Erproben multipler Identitäten einher, wie sie auch Edding beschreibt.
Cornelia Edding ergänzt noch einen wichtigen Aspekt: die innere Distanz zur eigenen Rolle, die auch ein Schauspieler auf der Bühne braucht. Er sieht sich beim Spielen selbst zu und wird nicht so wie die Rolle, die er spielt. Das Bewusstsein „Dies ist eine Rolle und ich kann auch noch viele andere Rollen spielen” ist ein wichtiger Schutz für die eigene Person.
Rollendistanz ist hilfreich bei der Unterscheidung zwischen dem Selbst und der Darstellung auf der beruflichen Bühne.
Rollenspiel im Job bedeutet nicht, dass die eigene Integrität verlorengeht. An etlichen Praxisbeispielen zeigt Edding, dass frau in jeder neuen Rolle und gegenüber jeder neuen Aufgabe durchaus fair, vertrauenswürdig und redlich sein kann.
Integrität ist nicht schädlich für die eigene Karriere, im Gegenteil: Mit dieser Haltung ist nachweislich sogar Wohlbefinden verbunden, die Mitarbeiter zu schätzen wissen.
Karriere braucht Sichtbarkeit
Es genügt nicht, einfach nur kreativ, kooperativ, energisch und politisch geschickt zu sein: Karriere braucht auch aufstiegsrelevante Sichtbarkeit, die genauso wichtig ist wie das Interesse an Fragen der Macht.
Allerdings sollte bei der Kontaktpflege nicht nur berechnend nach „Nützlichkeit” geschaut werden. Es sei auch wichtig, Kontakte zu Personen zu pflegen, die einfach nur interessant oder sympathisch sind.
Fähigkeiten und die Wirksamkeit der eigenen Arbeit müssen auch wahrgenommen werden: „Daher ist es wichtig, sich ins rechte Licht zu setzen”, schreibt Edding.
Das können gerade junge Managerinnen – die ein vermutlich häufig ein Identitätsproblem haben, weil sie Rollenspiele ablehnen – von einer erfolgreichen Musik-Ikone lernen: dass jegliche Masken und Verstellungen fallen, wenn frau in einen kreativen (Arbeits-)Prozess eintritt. Dann kommt das Selbst von Madonna (die sich einmal „schwuler Mann, der im Körper einer Frau gefangen ist”) beschrieben hat, zum Vorschein.
Als älteste Tochter von italienischen Einwanderern entwickelte sie seit ihrer Kindheit ein starkes Unabhängigkeitsgefühl und gleichzeitig ein Bedürfnis nach Anerkennung. Die Zerbrechlichkeit ihrer kranken Mutter führte dazu, dass sie eine lebenslange Aversion gegen Schwäche entwickelte:
„Ich begriff, dass ich zwei Möglichkeiten hatte: entweder traurig und schwach zu sein und die Kontrolle zu verlieren oder das Kommando zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass sich die Lage bessert.”
In ihrem Inneren tickte schon früh eine „Ruhmes”-Uhr, und sie hatte ständig Bedürfnis, „jetzt” bemerkt zu werden. Sie wollte sich von anderen unterscheiden und ihren eigenen Regeln folgen.
Als junge Frau wurde sie vergewaltigt und fühlte sich machtlos. Dieses Erlebnis veranlasste sie, den Männern zu zeigen, dass „sie die Zügel in der Hand hielt und hartgesotten” war. Sex wurde für sie zu einer Maske, „die Waffen ihres Vergewaltigers gegen ihn selbst zu richten”.
Vor diesem Hintergrund wird ihr Bedürfnis nach Kontrolle, Ordnung und festen Ritualen verständlicher.
Rückblickend zeigt ihr Karriereweg viele Gemeinsamkeiten mit erfolgreichen Managern:
• Sie nutzte die entsprechenden Mittel, die ihr an die Hand gegeben wurden und erkannte „richtige” Gelegenheiten, die sie wie das Glück sofort am Schopfe packte.
• Sie hielt sich nie lange mit etwas auf, wenn sich die Dinge nicht gut für sie entwickelten
• Sie erkannte sofort, wer am meisten Einfluss hat und von wem sie sich fernhalten muss.
• Ihre Rücksichtslosigkeit wurde durch ihre starke Bedürftigkeit gemildert.
• Sie nahm wie Alfred Hitchcock nur das in sich auf, was sie gerade brauchte.
• Sie hatte nicht viele Freunde und war sehr auf ihre Karriere fixiert.
• Sie war sich der zersetzenden Wirkung des Berühmtseins durchaus bewusst.
• Geheimnisse, Initialisierung und der Gewinn neuer Erkenntnisse wurden zu wesentlichen Themen ihres Werkes.
• Sie erfand sich immer wieder neu – ohne ihr Selbst zu verlieren.
Diese Biographie enthält freilich viele Brüche und Extreme, die auf viele Menschen möglicherweise auch eine abstoßende Wirkung haben – aber Sichtbarkeit hat eben auch eine Rückseite, die im Managementkontext ebenso berücksichtigt werden sollte.
Literaturempfehlungen
Cornelia Edding: Herausforderung Karriere. Strategien für Frauen auf dem Weg nach oben. Carl-Auer Verlag Heidelberg 2016, Heidelberg 2016.
Tim Leberecht: Business-Romantiker. Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben. Aus dem Amerikanischen von Niklas Hofmann. Droemer Verlag München 2015
Lucy O’Brien: Madonna. Like an Icon. Die Biographie. Goldmann Verlag, München 2008.