Manieren 21.0: Warum der Gentleman heute ein Update braucht
Für Tim Leberecht ist der Zynismus die größte Bedrohung für Business-Romantiker, ja die Déformation professionelle der Geschäftswelt.
Photo: Anthony Danielle / EyeEm via Getty Images
von Alexandra Hildebrandt
Populismus, Rüpeleien, Zynismus, Beleidigungen und Muskelspiele prägen nicht nur unsere Zeit, sondern auch ein bestimmtes Männerbild, das für die Verrohung der Sitten steht. Umso wichtiger ist das Update eines zivilisierten und kultivierten Menschen, „der niemals Schmerz zufügt”. Für den Autor John Henry Newman macht dies einen Gentleman aus, der zugleich innere Klarheit, Haltung und Stärke ausstrahlt. Er muss sich nicht als Showman darstellen, weil er aus sich selbst heraus glänzt, die „Fähigkeit zur Selbstkontrolle und intellektuellen Gefasstheit” hat und auch bei ungeheuerlichen Vorgängen distanziert bleibt und seine Manieren behält.
Diese gelassene Distanz entsteht nach Ansicht des Journalisten Max Scharnigg „durch Reisen, durch Flanieren, Studieren und waches und geneigtes Beobachten der Umwelt”. Es ist dringlich: Wir brauchen ein Update des Gentleman, weil wir uns nicht in einer postfaktischen, von Rüpeln und Zynikern geprägten Wirklichkeit verlieren dürfen.
Für Tim Leberecht ist der Zynismus die größte Bedrohung für Business-Romantiker, ja die Déformation professionelle der Geschäftswelt. In seinem gleichnamigen Buch zitiert er Oscar Wilde:
„Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis kennt und von nichts den Wert.”
Ein Zyniker sieht die Welt arrogant von oben – er verachtet Mensch und Umwelt und geht davon aus, dass Regeln nur für Dumme gemacht wurden.
Wir brauchen Romantik statt Zynismus in unserer von Terror erschütterten, desillusionierten Welt. Sie ist keine Weltflucht und keine Krankheit, sondern Medizin, die uns tröstet uns in schwierigen Zeiten. „Solange die Menschheit die Sehnsucht noch kennt, wird sie auch romantisch gefärbt sein”, sagt der Schweizer Künstler Ugo Rondinone in der deutschen VOGUE (Januar-Ausgabe 2017).
Der Gentleman 21.0 ist nicht rückwärtsgewandt, sondern zeigt uns, wie wichtig es ist, sich im Irrsinn der Welt eine eigene Haltung zu verschaffen oder zu bewahren, die sich auch in gutem Benehmen zeigt. Wer sich danach sehnt, möchte Orientierung gewinnen. Und die braucht es in einer Zeit, die aus den Fugen geraten ist, mehr denn je.
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt: Manieren 21.0: Warum gutes Benehmen heute wieder salonfähig ist. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2016.
Alexandra Hildebrandt: Kopf oder Bauch? Wie wir heute die richtigen Entscheidungen treffen von Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2016.
Tim Leberecht: Business-Romantiker. Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben. Droemer Verlag München 2015.
Max Scharnigg: HERRN KNIGGE GEFÄLLT DAS! Hoffmann und Campe Verlag/Atlantik, Hamburg 2016.
Dieser Artikel erschien in der Huffington Post.