Teil einer besseren Zukunft: Darum brauchen wir einen kämpferischen Optimismus
Tim Leberecht glaubt, dass die Sehnsucht nach Sinn im Zusammenhang mit einem neuen Optimismus steht - auch und besonders im Silicon Valley
Entdecke die Möglichkeiten
„Sei mal positiv. Glaub an das Gute und Richtige! Erkenne deine Stärken und Möglichkeiten!” Das sagte die Fernsehköchin und Autorin Sarah Wiener kürzlich im FOCUS nicht einfach so dahin, sondern gezielt. Weil sie Menschen ins Herz treffen und sie bewegen möchte, „aufzustehen”. Auch wenn das Kommende ungewiss ist und viele mit dem Begriff Urvertrauen nichts mehr anzufangen wissen.
Ohne Urvertrauen könne der Mensch nämlich morgens sein Bett nicht verlassen, sagte einst der Soziologe Niklas Luhmann: Es wird auf etwas vertraut, ohne zu wissen, welche Erfahrungen folgen werden. Das ist oft verlässlicher als der mühsame Versuch, dem Leben die eigenen Bedingungen aufzudrücken.
Urvertrauen und Optimismus sind miteinander verbunden. Wie sehr unsere Zukunft davon abhängt, bemerken und betonen auch etliche andere Prominente im FOCUS (10/2016).
Für Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen, sind in schwierigen Zeiten wie diesen „Optimismus und Gelassenheit Pflicht”.
Adidas-Chef Herbert Hainer, für den die Flüchtlingsfrage die dringlichste Herausforderung der Deutschen ist, denkt, „dass wir diese mit Entschlossenheit und Optimismus tatsächlich schaffen können”. Modeschöpfer Wolfgang Joop schätzt und fürchtet den Hang der Deutschen zur Übertreibung: „Mal tollkühner Optimismus, mal Schwarzseherei.”
Darum sind Menschen optimistisch
Max Roser, Ökonom am Institute for New Economic Thinking (INET) in Oxford, studierte erst Philosophie und wechselte dann zur Ökonomie. Ihn überraschte, dass die Nachrichten voll von schrecklichen Ereignissen sind, sich langfristig aber positive Entwicklungen zeigen, die allerdings in den Medien kaum erwähnt werden.
Am Beispiel der Gewalt wies er nach, dass jährliche Umfragen zwar zeigen, dass die Gewalt steigt, aber das Gegenteil der Fall ist: „Die Menschheit war früher viel gewalttätiger.”
Auf seiner Website Our World in Data trägt er alles zusammen, was wir über die Entwicklung der Welt wissen und postet regelmäßig ein Diagramm, das verdeutlicht, dass die Welt in vielerlei Hinsicht besser wird. Dafür wirbt er auf Twitter: „Warum ich optimistisch bin”.
Leider ist es aber häufig so, dass jene, die die Welt optimistisch betrachten, dafür belächelt und für naiv gehalten werden. „Eine negative Sicht erscheint eher tiefsinnig.”
Die Sehnsucht nach Sinn steht im Zusammenhang mit einem neuen Optimismus
Während sich der Ansatz von Max Rosner auf statistisches Material beschränkt, finden sich in „Good”, einer globalen, redaktionellen HuffPost-Initiative, vor allem Geschichten über Menschen, die Lösungen für sehr reale Herausforderungen unseres Lebens bereithalten.
Mit meinem HuffBlog möchte ich dies unterstützen und gleichzeitig Multiplikator für die Generation Y sein.
Der internationale Marketingexperte Tim Leberecht bemerkt in seinem Bestseller „Business Romantiker” (Droemer Verlag, 2015), dass eine 2011 vom Career Advisory Board der De Vry University herausgegebene Studie zu dem Schluss kam, dass für die Generation Y ein „Sinngefühl” der wichtigste Indikator einer erfolgreichen Karriere sei.
Diese Sehnsucht nach mehr Sinn steht in Zusammenhang mit einem neuen Optimismus. Dazu führt Leberecht auch eine Telefonica-Umfrage unter 12000 Millennials in 72 Ländern an:
62 Prozent der Befragten fanden, dass sie dort, wo sie leben, etwas verändern könnten, und 40 Prozent waren davon überzeugt, auf globaler Ebene etwas verändern zu können.
„Während ihre Vorgänger aus der Generation X sich über Bürokratie und über die Korrumpierung von Firmen und Institutionen beklagten, tun die Millennials sie einfach als irrelevant ab.
Ihre Generation macht sich das zu eigen, was der Zukunftsforscher Alvin Toffler einmal als ‚Adhocracy’ beschrieben hat: nach dem Baukastenprinzip aufgebaute und bewegliche Netzwerkstrukturen, die leicht zueinanderfinden und auch wieder auseinandergehen.”
In seinem Buch zeigt er, in welchem Verhältnis die Business Romantik zu diesen Netzwerkkonzepten steht, und was ein sinnorientiertes Leben mit Romantik zu tun hat.
Ein aktuelles Beispiel zum Optimismus der Generation Y ist auch der erste Karriere-Ratgeber für Weltveränderer, publiziert von THE CHANGER. Er dient allen, die eine Karriere mit gesellschaftlichem Mehrwert anstreben:
Ein Job, der das Leben mit Sinn erfüllt, in dem man sich ausleben und weiterentwickeln kann, der aber auch Platz lässt für selbstbestimmtes Leben.
Gleichzeitig kommen immer mehr gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen auf uns zu, für die nachhaltige Strategien und innovative Lösungen gesucht werden.
Im Juli 2012 führte Ashoka gemeinsam mit McKinsey eine Studie durch, die knapp 1800 Personen im Alter von 18 bis 80 Jahren mit angeschlossenem Schulabschluss zum Thema „Präferenzen bei der Berufswahl” befragte.
Ein Ergebnis: 39% der Menschen wünschen sich eine Tätigkeit, die sie als sinnstiftend empfinden. 37% würden vielleicht sogar in einen Job im Sozialsektor wechseln. Nur 60% kennen allerdings die Karrieremöglichkeiten im Sozialsektor (im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft sind es dagegen 76%).
THE CHANGER hat sich dieser Problematik angenommen und dieses Informationsdefizit geschlossen und veröffentlicht Deutschlands ersten Ratgeber für eine Karriere im sozialen Sektor.
Der Guide gibt Orientierung und dient herkömmlichen Karriereführern aus der Industrie und Wirtschaft als Ergänzung. Dieser erste Ratgeber ist als Pilot zu verstehen. Er soll ein lebendiges Medium werden, das in den kommenden Jahren mit weiteren Inhalten gefüllt wird.
Es werden praktische Informationen wie Berufsoptionen, Bewerbungstipps und relevante Studiengänge geboten, um allen Weltverbesserern, Sinnsuchenden, SchulabgängerInnen, StudentInnen, Berufsein- und UmsteigerInnen einen Überblick zu geben und Optionen aufzuzeigen.
Dies soll die Jobsuche und die Karriere mit gesellschaftlichem Mehrwert, sei es in einer etablierten Organisation, Stiftung oder einem Social Business, erleichtern.
Nadia Boegli, Nicole Winchell und Julia Wegner von “The Changer” setzen sich mit ihren Aktivitäten nun schon seit fast zwei Jahren dafür ein, einen Überblick über Jobs und Events mit gesellschaftlichem Mehrwert zu schaffen und eine Community zu stärken, die sich für eine nachhaltige Lebensweise einsetzt:
„Es geht uns darum, etwas zu verändern und als Multiplikator zu einem gesellschaftlichen Wandel in der Arbeitswelt beizutragen.”
Die Silicon Valley-Philosphie
Der berühmte Geist des Silicon Valley ist auch bei “The Changer” und allen, die einfach anfangen, spürbar:
Er ist geprägt von großer Praxisnähe durch die wissenschaftliche Exzellenz der Stanford Universität, wo die Professoren jungen Studenten beratend und tätig zur Seite stehen, wenn sie ihre ersten Ideen umsetzen möchten.
Außerdem bietet der Silicon Valley:
• einer seit Jahrzehnten bestehenden IT-Unternehmenslandschaft
• einer hohe Dichte an Kapitalgebern
• jungen und mutigen Unternehmern, die den unbedingten Willen haben, Neues zu schaffen
• dem Prinzip der Verschmelzung von Privatem und Beruflichem
• grenzenloser Zuversicht und Unbekümmertheit
Von der Silicon Valley-Philosophie, möglichst viel auszuprobieren und sich Optionen offenzuhalten, von der „unbedingten Bereitschaft zum Unternehmertum und der Comeback-Mentalität” (SZ, 21./22.11.2015), kann jeder lernen.
Dazu gehören für den weltweit tätigen Marketing- und Managementberater Tim Leberecht vor allem kulturelle Qualitäten wie Optimismus (!), Hartnäckigkeit, die Kultur des Scheiterns, Unternehmergeist, aber auch eine “Just do it”-Haltung, die leider nicht immer reflektiert ist.
Gewiss gehören zum Silicon Valley auch Hype und Hybris – aber um Veränderungsprozesse positiv zu nutzen, ist die innere Entdeckung dieses Ortes für uns unabdingbar.
Denn das, was sich hier als widersprüchlich zeigt, macht uns zuweilen auch selbst aus: die Sehnsucht nach innerer Einkehr und Ruhe und das Ausgeliefertsein an die „Verhältnisse”.
Die Wirklichkeit „draußen” ist ähnlich: So ist die Gegend um San Francisco schon seit Jahrzehnten ein Zentrum der New-Age-Bewegung: Meditation und die Suche nach Zen haben hier eine wesentliche Bedeutung.
Andererseits haben viele Start-Ups bis zu 70-Stunden-Wochen, während den Mitarbeitern gleichzeitig Achtsamkeitskurse und Sinnsuche angeboten werden.
All das hat freilich auch etwas Flüchtiges, dem sich aber auch etwas entgegensetzen lässt – etwas, das bleibt, wenn in unruhigen und dunklen Zeiten nichts mehr hält: Nachhaltigkeit.
Die Beschäftigung mit ihr kann uns darin unterstützen, die Welt zu begreifen und wieder zu erhellen. Es kommt nur darauf an, den Begriff mit neuen Formen des Denkens zu verbinden, das dazu führt, wieder ins Handeln zu kommen.
Dabei kann der kalifornische Geist („Vernunft, Weitsicht, Nachhaltigkeit”) sehr hilfreich sein. Was wir heute brauchen, ist ein kämpferischer Optimismus, wie ihn auch Al Gore bei der diesjährigen Ted-Konferenz in Vancouver zeigte.
Christiana Figueres, Klimachefin der Vereinten Nationen, sprach in ihrem Vortrag von einem „pragmatischen Optimismus”, der für sie eine „alles entscheidende neue Strategie” sei (Adrian Kreye: Wir schaffen das, in: SZ, 1.3.2016).
Und darum geht es doch heute: zu vermitteln, dass kein Mensch in dieser Welt halt- und orientierungslos agieren kann, dass es im Komplexitätszeitalter darum geht, Dinge zusammenzuführen, und dass es eine neue Form des Optimismus braucht, die darin besteht, Leben und Arbeit tatkräftig anzugehen – auch im Bewusstsein, dass nicht immer alles zum Besten verlaufen wird.
Dieser Artikel erschien in der Huffington Post.