Träumen, Zahlen, Spinnen
Tim Leberecht fordert mehr Romantik im Business. Das DUB UNTERNEHMER-Magazin fragte nach.
Wissenschaft und Unterhaltungsindustrie deuten „Romantik“ ganz unterschiedlich. Was verstehen Sie darunter?
Der Begriff ist trivialisiert worden, in Deutschland zum Beispiel durch den Valentinstag, in den USA sogar noch stärker. Wenn Sie da ‚romantic’ sagen, denkt man an Dates und Kerzenlicht. Mir geht es um die Qualitäten des Romantizismus, also darum, Subjektivität über Objektivität zu stellen und Emotion über Verstand und Vernunft. Es ist die Idee der Transzendenz: Dass es verborgene Elemente in unserem Leben gibt, die sich mit den Instrumenten der Wirtschaft nicht messen lassen.
Wie können wir unser Berufsleben romantischer gestalten?
Auf abstrakter Ebene geht es um eine Geisteshaltung, zum Beispiel wie man in Meetings beobachtet oder Texte verarbeitet. Sich von dem Gedanken zu verabschieden, Romantisieren sei etwas Negatives. Konkret geht es darum, in unserem Berufsleben immer wieder das Vertraute fremdartig zu machen. Etwa durch kleine Tabubrüche und das Brechen von Konventionen.
Zum Beispiel wie?
Geringe Manipulationen wie ein Schreibtischtausch genügen. Viele Unternehmen haben Co-Working-Spaces eingeführt, die dieses Hotelling haben. Inzwischen wünschen unsere Kunden sogar, dass wir zufällige Begegnungen ins Gebäudedesign integrieren. Es geht nicht mehr um den kürzesten Weg von A nach B. Sie verlangen bewusst Reibung, weil sie feststellen, dass Innovation und das Abenteuer Arbeit mit davon abhängen.
Reibung und Abenteuer in der Arbeitswelt klingen nicht für jeden verlockend.
Im Kapitel „Leide ein bisschen“ unterscheide ich zwischen Romantik und Glücklichsein. Romantik hat eine dunkle Seite. Man ist mit Leib und Seele investiert und das kann weh tun. Wenn wir das auch von der Arbeit erwarten, machen wir uns verletzlich, denn da sind Emotionen im Spiel, unsere Identität und Integrität. Aber letztlich lernen wir anhand dieser Krisenmomente am meisten.
LESERECHT FÜR LEBERECHT
Wer im Deutschunterricht aufgepasst hat, erinnert sich: Die Romantik entstand als Widerstand gegen die nüchterne Vernunft der Aufklärung. Ihre Autoren versuchten, Leidenschaft, Sehnsucht und das Geheimnisvolle in ihre Werke einfließen zu lassen. In „Business-Romantiker“ fordert Tim Leberecht (siehe Interview) die Rückkehr des romantischen Gedankens in die Geschäftswelt. Ein bemerkenswerter Aufruf gegen das Effizienzdogma.
352 Seiten, 19,99 Euro, Droemer
Dieser Artikel erschien im DUB-Unternehmer Magazin, Sommerausgabe 2015.