Tim Leberecht — Autor, Gründer und CEO von The Business Romantic Society — sorgte für wichtige Denkanstöße zum Ende des Change Congress 2018. Mit seiner Closing Keynote “Building beautiful organizations — Warum die Zeit reif ist für eine romantische Revolution“ schlägt er drei konkrete Strategien vor, mit denen wir trotz vorherrschender Logik der Daten “Mensch” bleiben und setzt ihr eine subjektive, emotionale Wahrheit entgegen. Wie wir mit dieser Romantisierung unseren Arbeitsalltag erleichtern, erklärt er im folgenden Interview.
Wandeln, ja, aber wie?
3 Fragen an Tim Leberecht anlässlich des Change Congresses 2018
Haben Sie einen Tipp für einen romantischeren Umgang mit unserem digitalen Alltag?
Pausen einlegen. Jeden Tag eine Stunde zum Denken im Kalender reservieren.Meetings als Spaziergänge abhalten. Auf gar keinen Fall zu viele Kollaborationskanäle aufmachen. Man braucht nicht für jede Idee und jedes Projekt einen Slack-Channel. Mindfulness praktizieren. Und vielleicht ja sogar das eine oder andere Silent Dinner, bei dem Mitarbeiter gemeinsam schweigsam dinieren bzw. gemeinsam nur einem musikalischen Soundtrack zuhören. All dies hilft die Sinne zu schärfen und der digitalen Erschöpfung entgegenzuwirken.
An welchen Stellen im Unternehmen fehlen romantischen Qualitäten und Anstöße?
Das ist schwer an einer Funktion oder Stelle festzumachen. Die Impulse sind in der Regel da – weil wir ja schließlich mehr als 70 Prozent unserer wachen Stunden bei der Arbeit verbringen und die meisten von uns nicht nur ein produktives sondern auch ein schönes Leben führen wollen – aber sie gehen dann eben oft verloren und werden gekappt durch rigide Strukturen und Prozesse, und die weitverbreite Angst davor, nicht nur den Daten, sondern auch den Gefühlen zu vertrauen. Sicher kann der CEO hier als Vorbild vorangehen, aber die Anstöße für eine menschlichere Kultur könne auch aus der Belegschaft kommen und als Graswurzelbewegung starten.
Wie gehen Sie persönlich vor, um diese Romantik in ihrer Firma zu etablieren?
Wir wenden natürlich unsere eigenen Regeln, die Regeln der Business-Romantiker, an! Das ist allerdings gerade auch angesichts unseres Wachstums nicht immer einfach, weil wir zunehmend Dinge formalisieren und standardisieren müssen. Aber wir haben da so einen Trick: Wenn wir Entscheidungen treffen, spielen wir oft beide Szenarien durch – die rationale Entscheidungsfindung auf der einen Seite, und die Entscheidung, wie wir sie auf der Grundlage unserer Gefühle treffen würden. Wenn die Diskrepanz zwischen beiden groß ist, dann gehen wir der Sache nach und diskutieren dies. Der Konflikt lässt sich nicht immer 100-prozentig auflösen, aber wir gehen somit immerhin bewusster mit den — oft unsichtbar bleibenden — Nebenkosten um.Rückblickend waren die besten Entscheidungen übrigens immer die, bei denen sowohl Bauch und Kopf „Ja“ sagten.
Dieses Interview erschien zunächst auf den Change Congress Blog des Handelsblatts.