Wie Mitarbeiter motivierter werden
In seinem Buch „Der Business-Romantiker“ erklärt Autor Tim Leberecht, warum Romantiker die besseren Manager sind und wie Poesie und Tangotanz Mitarbeiter wieder für ihre Arbeit brennen lassen.
von Britta Weddeling
Das Codewort lautet: Lord Byron. Aber das Ambiente will nicht zum Anlass passen. Statt romantischer Verse erfüllt die Luft Tastatur-Geklapper. In dem Café im Bezirk Soma herrscht Hochbetrieb. Die meist männlichen Kunden starren in elegante Laptops, auf das Telefon oder sprechen hektisch in ihr Headset.
Tim Leberecht legt die Hand an die Stirn. „Die Szene hier ist typisch für die derzeitige Macho-Tech-Kultur in Silicon Valley.“ In den letzten Jahren sei der Glaube daran, dass Technologie und Daten jedes menschliche Problem lösen können, regelrecht zum Mainstream geworden. „Wenn aber unser ganzes Leben berechenbar wird, nehmen wir ihm das Geheimnis.“
Leberecht weiß, wovon er spricht. Der 43-Jährige lebt seit zwölf Jahren in den USA, die meiste Zeit davon im Software-Mekka San Francisco. Derzeit leitet er das Marketing der internationalen Design- und Architekturfirma NBBJ. In seiner langjährigen Karriere beriet der Mann, der gebürtig aus Esslingen am Neckar kommt, viele Fortune-500-Firmen, darunter Samsung, Disney oder General Electric. Den Unternehmen waren die Innovation abhanden gekommen.
Kein Wunder, sagt Leberecht. Schließlich fehle immer mehr Firmen die Romantik. Mit Affären am Arbeitsplatz, Liebesschwüren oder Candle-Light-Dinnern habe das aber wenig zu tun, sagt er und lacht. Eher mit Unternehmensphilosophie. „Romantiker sind Narren, Abenteurer, die die Welt so sehen, wie sie nicht ist. Deshalb sind sie so erfolgreich.“ Von dieser Haltung könnten Wirtschaftlenker lernen.
In seinem ersten Buch „Der Business-Romantiker“, das nun in Deutschland und den USA erscheint, entwirft der Autor ein Konzept für die Wiederverzauberung der Wirtschaftswelt. Das Werk will eher Gedankenanstoß sein denn klassischer Ratgebertitel.
Die Vorschläge sind denn auch entsprechend ungewöhnlich. Der Autor rät Unternehmern zur Lektüre romantischer Poeten wie Lord Byron oder Novalis zwecks Horizont-Erweiterung sowie einer „Fortbildung“ in den fachfremden Disziplinen Tangotanz und Philosophie. Er sagt: „Grundsätzlich gilt die Maxime, die Routine aufzubrechen und Vertrautes wieder fremd zu machen, durch kleine ‘Hacks’ des Arbeitsalltages, kleine Störmanöver und bewusste Umwege und Überraschungen, die uns etwas testen und unser Herz schneller schlagen lassen.“
Konkret könne das zum Beispiel heißen, auf dem Weg zur Arbeit völlig Fremde anzusprechen. Eine Studie der University of Chicago hat ergeben, dass sogenannte Mikro-Interaktionen mit Fremden das Glücksgefühl steigern. In der Firma angekommen könnten Unternehmen den Adrenalin-Ausschuss ihrer Mitarbeiter dann fortsetzen. Das Finanzinstitut Credit Suisse etwa hat Teile seiner Büros in Zurich in ein Coworking Büro umgebaut, das heißt, es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr.
Die in San Francisco ansässige Softwarefirma Github geht noch einen Schritt weiter und bietet der Belegschaft sogar an, in kleinen Teams für ein paar Wochen von Städten wie Florenz oder Montevideo aus zu arbeiten. Die „Hacks“ könnten nach Leberechts Ansicht dabei helfen, die Mitarbeiter wieder für ihren Arbeitgeber zu begeistern und sich ganz neu in ihren Job zu „verlieben“.
Laut Studien ist derzeit nämlich das Gegenteil der Fall. Weltweit engagieren sich nur noch 13 Prozent der Menschen voll in ihrem Job. Der Rest befindet sich teils oder völlig im inneren Exil. Ambitionslose Mitarbeiter schaffen weniger oder kündigen, die Kosten für Neueinstellungen sind hoch. Umso dramatischer ist die Entwicklung, als wir immer mehr Lebenszeit mit Arbeit verbringen, erklärt Leberecht. „Sie begleitet uns mit nach Hause, wir wachen mit ihr auf. Deshalb ist es umso wichtiger, dass unser Job eine emotionale, reichhaltige Erfahrung ist. Alles andere wäre eine riesige Verschwendung unserer Lebenszeit.“
Leberecht ist ein scharfer Beobachter, aber kein Zyniker, sein Buch eine Wohltat für alle, die ein wenig Abstand suchen zum oftmals so naiven Technik-Hype des Silicon Valley. Wenn der Autor spricht, leuchten seine Augen begeistert. Leberechts Thesen haben Filmemacher inspiriert, die von ihm gegründete „Gesellschaft der Business-Romantiker“ erfreut sich immer mehr Fans. „Es fühlt sich so an, als hätte ich gerade selbst ein Start-up gegründet.“
Der Autor pflegt gute Kontakte in die Szene von Silicon Valley. Er kritisiert, dass Software-Entwickler und Nutzer die Konsequenzen der Digitalisierung zu wenig hinterfragten. Dabei lagerten die Menschen immer größerer Teil ihres Privatlebens an die Maschinen aus, wie etwa die Organisation menschlicher Beziehungen an soziale Netzwerke oder Gesundheitsdaten via Fitnessarmband und Smartwatch an private Firmen. Er sei nicht gegen Fortschritt, stellt Leberecht klar. Aber der Autor kritisiert, dass unser Privatleben zunehmend auf eine „marktwirtschaftlichen Größe“ zusammenschrumpfe. „Persönliche Empfindungen bekommen einen monetären Gegenwert.“
Auf kurze Sicht ergibt sich für Software-Unternehmen wieFacebook, Google oderAmazon daraus vielleicht ein interessantes Geschäftsmodell. Langfristig jedoch wird unser Leben völlig transparent, vorhersehbar und langweilig. Wenn alles auf Algorithmen beruht, berechnet sich Qualität nur noch nach einem utilitaristischen Nutzen, sagt Leberecht. Mit drastischen Folgen, auch für die Wirtschaft. „Dann gibt es keine Kreativität mehr, keinen Zauber und keine echte Innovation.“ Nicht ohne Grund habe sich Steve Jobs immer gegen Marktforschung gewehrt. Der Apple-Gründer wollte nicht eine bereits vorhandene und messbare Nachfrage bedienen, sondern die Zukunft gestalten.
Marken wie Apple oder Tesla seien gerade deshalb so erfolgreich, weil sie die Menschen zum Träumen bringen und ein Geheimnis besitzen, das Maschinen nicht erfassen können: einen „romantischen Kern“. Der Autor fordert deshalb einen neuen Humanismus, jenseits der Algorithmen. Die Aufgabe, diese Idee in die Realität umzusetzen, sieht er bei den Konzernen. „Unternehmen sind die mächtigsten Institutionen des 21. Jahrhunderts, noch vor Kirche oder Staat. Sie definieren immer stärker, wie wir leben und müssen sich stärker der moralischen Verantwortung stellen, die sie heute haben.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Handelsblatt.